Exkursion: Faszinierendes, rätselhaftes Budapest

Die Perle der Donau

Wenn ein Besucher nach Budapest fliegen könnte, wäre der erste Ort, an dem er landen würde, sicherlich der Gellért-Berg in Buda, am östlichen Ende der Zitadelle. Von hier aus hat man einen atemberaubenden Blick über die Donau. Auf ihrem Sockel in 40 Metern Höhe blickt eine bronzene Freiheitsstatue aus der Sowjetzeit ebenfalls über den Fluss nach Pest, das sich am gegenüberliegenden Ufer ausbreitet, wo die Große Ungarische Tiefebene beginnt.

Am Fuße des Gellért-Berges befindet sich die Szabadság-Brücke, eine der acht Budapester Brücken, die die Donau überspannen. Wenn man sich umdreht, um flussaufwärts zu schauen, sieht man die Elisabethbrücke und dahinter die Budaer Burg am rechten Ufer, die Kettenbrücke, das riesige Parlamentsgebäude am linken Ufer, die Margaretenbrücke und schließlich die Margareteninsel. Die Zitadelle wurde nach der gescheiterten Revolution 1848 unter Einsatz von ungarischen Zwangsarbeitern von den Habsburgern als Warnung vor künftigem Widerstand errichtet. Diese Warnung wurde jedoch nicht ernst genommen. Bis 1867 zwangen die ungarischen politischen Führer Wien, eine erneute Souveränität für das Königreich Ungarn innerhalb einer Doppelmonarchie zu akzeptieren.

Kettenbrücke, Budapest

Rund um die Zitadelle und darüber hinaus findet der Besucher große Grünflächen, mit Gärten und bewaldeten Parkanlagen. „Der ikonische Gellért-Hügel hat zwei Seiten“, erklärt Károly Palovics, ein gebürtiger Budapester und Ungarn-Länderdirektor von VGP. „Eine mit schönem Panorama, vielen Besuchern und Großstadtfeeling, und die andere Seite mit Blumen, wo ich mit dem Hund spazieren gehe, mit meinen Kindern spiele und den Namen des Lebensmittelhändlers in meiner Nachbarschaft kenne.“

Auch bildlich gesprochen haben Budapest und Ungarn mehrere Seiten. Es gibt einen Teil, den der Besucher sieht, und einen viel größeren Teil, den ein Tourist kaum begreifen kann. Ungarn ist ein faszinierendes, rätselhaftes Land – aber bei der Erkundung von Budapest können Besucher tiefe Einblicke in das Land erhalten, es richtig warhnehmen, ja sogar schmecken. Es gibt zahlreiche Spekulationen, dass die Ungarn mit ihrer für andere unverständlichen Sprache und manchmal einzigartigen Denkweise ursprünglich vom Mars stammen. 
Tatsächlich kamen die Magyaren, wie sich die Ungarn selbst nennen, nicht aus dem Weltall, sondern von irgendwo östlich des Uralgebirges und erreichten das Karpatenbecken in der allerletzten Welle der Großen Völkerwanderung. Sie eroberten andere Länder und Völker und vermischten sich mit ihnen.

Die Magyaren waren nicht die ersten Bewohner von Budapest. Die Kelten waren bereits hier, als die Römer im ersten Jahrhundert nach Christus ankamen. Die Römer errichteten einen Militärstützpunkt, dann eine Provinzhauptstadt namens Aquincum. Im 5. Jahrhundert begannen sie, die Gegend zu verlassen. Die Ungarn kamen um 900 n. Chr. und verloren die Kontrolle an die osmanischen Türken für den Großteil des 16. und 17. Jahrhunderts. Dann wurde das türkische Joch abgeworfen, um daraufhin von den Habsburgern regiert zu werden. Die Römer und Türken sind vor allem für die Erschließung der reichlich vorhandenen heißen Quellen in Budapest bekannt, und es gibt immer noch Bäder, in denen gebadet werden kann. Die Stadt bietet mehrere Thermalbadkomplexe.

Der Besucher sollte weiter die ungarischen Anfänge erkunden, am Heldenplatz in Pest, der am Ende der Andrássy-Allee liegt, einer von historischen Gebäuden gesäumten Einkaufsstraße, die zum UNESCOWeltkulturerbe erklärt wurde. Der Heldenplatz ist ein nationales Denkmal unter freiem Himmel, das 1896 zur Feier des 1.000-jährigen Jubiläums der Eroberung des Karpatenbeckens durch die Magyaren errichtet wurde. Der Platz wird von einer Säule überragt, die der Erzengel Gabriel krönt, der die Krone des Heiligen Stephan, des ersten Königs von Ungarn, hält. Am Sockel der Säule stehen sieben bronzene Reiter, die Häuptlinge von sieben Magyarenstämmen, die der historischen Überlieferung zufolge das Karpatenbecken eroberten. Am prominentesten ist Árpád, dessen Familiendynastie, so glauben die Ungarn, mehrere Jahrhunderte lang über die neue Heimat herrschte. Flankiert wird die Säule von einem doppelten Säulengang mit Bronzeskulpturen prominenter ungarischer Könige und Staatsmänner. Auf dem Platz steht ein Denkmal für alle Helden, die ihr Leben für die Freiheit und nationale Unabhängigkeit Ungarns gaben. 1989 bestatteten die Ungarn auf dem Heldenplatz Imre Nagy, den kommunistischen Premierminister, der nach der ungarischen Revolution von 1956 hingerichtet wurde.

Parlamentsgebäude, Budapest

Den Heldenplatz flankieren das Museum der Schönen Künste und der Palast der Künste. Dahinter befindet sich der große Stadtpark, der neben einem See und Gärten auch das Széchenyi-Thermalbad, einen Zoo und das große Vajdahunyad-Schloss umfasst. Das Schloss, das in einer Mischung aus romanischem, gotischem, Renaissance- und Barockstil erbaut wurde, sieht aus, als würde es schon seit 1.000 Jahren dort stehen. Tatsächlich wurde es 1896 zur Jahrtausendfeier fertiggestellt. Nach einem geschichtsträchtigen Vormittag lässt sich ein gemütlicher Nachmittag gut auf der Margareteninsel verbringen. Die etwa 2,5 Kilometer lange Insel bietet Bademöglichkeiten, Wasserparks und viel Vergnügen, aber für viele ist sie auch ein Ort, um durch zahlreiche Gärten zu schlendern oder ein Tretauto zu mieten, in dem zwei Personen oder eine ganze Familie Platz finden. Besondere Attraktionen sind ein musikalischer Springbrunnen mit Lichtshow und ein Wasserturm im Jugendstil. Sowohl der Turm als auch der Brunnen sind von der UNESCO geschützte Denkmäler.
Zudem hat die UNESCO das Donauufer von der Margaretenbrücke stromabwärts bis zur Freiheitsbrücke sowie das Budaer Burgviertel zum Weltkulturerbe erklärt.

Kettenbrücke, Budapest

Ein Spaziergang über die Budaer Burg muss ganz oben auf der Liste eines jeden Besuchers stehen. Neben der herrlichen Aussicht beherbergt die Burg die Ungarische Nationalgalerie und das Budapester Geschichtsmuseum. In der Nähe befindet sich die Matthiaskirche, die während der Türkenzeit als Moschee diente und dann in ihrem heutigen neugotischen Stil umgebaut wurde. Der österreichische Kaiser Franz Joseph und seine Frau Elisabeth wurden hier 1867 zum König und zur Königin von Ungarn gekrönt. Unmittelbar hinter der Kirche befindet sich die Fischerbastei, eine Ansammlung von neoromanischen Türmen, Treppen und Kolonnaden.

Fischerbastei mit Statur von König Stephan I.

Es heißt, dass im Mittelalter die Fischerzunft für die Verteidigung der Burgmauern an dieser Stelle verantwortlich war. Die heutige Bastion wurde um die Jahrhundertwende errichtet. Sie bietet einen tollen Blick auf das Parlamentsgebäude am gegenüberliegenden Ufer. Wahrscheinlich ist kein Budapester Bauwerk mehr fotografiert und bewundert worden als dieses massive, neugotische Gebäude. Erbaut in den Jahren 1885–1904 symbolisierte es Ungarns Teilsouveränität innerhalb der Doppelmonarchie. Um das Parlament zu erreichen, kann man nun den Hügel hinuntersteigen und die Kettenbrücke überqueren. Diese 1849 fertiggestellte Hängebrücke, die an beiden Enden von einem Paar großer Löwen bewacht wird, war die erste, die Buda und Pest verband. Während des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört, wurde sie 1949 wiederaufgebaut und neu eröffnet.
Bei einem Spaziergang entlang der Uferpromenade in Richtung Parlament wird der Besucher in feierlicher Besinnung innehalten, wenn er auf 60 eiserne Paar Männer- und Frauenschuhe stößt, ein Mahnmal für Hunderte von Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs von ungarischen Faschisten entlang des Ufers erschossen wurden. Sicherlich ist es jetzt an der Zeit, eine Pause einzulegen, über das Gesehene nachzudenken und die lokalen Speisen, Weine und natürlich den Kaffee zu probieren. Ein guter Platz für eine Pause könnte auf oder in der Nähe des Platzes vor der neoklassizistischen St. Stephansbasilika sein, nur 15 Minuten vom Parlament entfernt.

Die ungarische Küche hat viele Gemeinsamkeiten mit der österreichischen Küche, und dennoch unterstreicht sie ihre gastronomische Unabhängigkeit in dem sie kulinarische Traditionen aus den angrenzenden ethnischen Regionen aufnimmt, die Ungarn einst beherrschten, und diese großzügig mischt. Die reichliche Verwendung von Paprika trägt wesentlich zum Charakter der ungarischen Küche bei. Ein allgegenwärtiges Straßenessen sind Lángos, eine Scheibe aus frittiertem, knoblauchhaltigem Teig, die mit saurer Sahne, geriebenem Käse oder verschiedenen anderen Belägen belegt wird. Ein süßeres Straßenessen sind die röhrenförmigen Kürtőskalács, die aus süßem Teig hergestellt werden, der am Spieß über heißer Kohle geröstet wird. Für eine Mahlzeit am Tisch wäre ein ausgezeichneter Start Halászlé, eine würzige Fischsuppe. Gulasch ist wohl das Nationalgericht, das als Suppe oder Eintopf gegessen werden kann. Zu den vielen möglichen Vorspeisen gehören Paprikahuhn (csirkepaprikás), das typischerweise mit Knödeln im mitteleuropäischen Stil, ähnlich wie Gnocci, serviert wird, mit Fleisch gefüllte Paprika oder Kohlblätter oder lecsó, ein Eintopf aus Paprika, Tomaten, Zwiebeln, Ei und Wurst. Es mag wahr sein, dass ungarisches Essen für den Verzehr mit Wein konzipiert ist. Die Weine sind ausgezeichnet und vielfältig. Zweiundzwanzig offizielle Weinregionen sind über das ganze Land verteilt. Die Besucher, die einen ungarischen Wein auswählen, werden damit nie etwas falsch machen – aber ideal ist es, die Einheimischen zu fragen, denn die wissen am besten Bescheid.

Wenn sich der Tag dem Ende zuneigt, zeigt sich Budapest von seiner schönsten Seite. Mit Einbruch der Nacht gehen die Lichter auf den Brücken, dem Parlament, der Burg und den Hügeln von Buda an. Ein buntes Leuchten richtig wertschätzen zu können, entlang des UNESCOgeschützten Ufers spiegelt sich in der Donau. Man müsse sich einfach hinsetzen und das Schauspiel auf sich wirken lassen, meint Károly Palovics von VGP. „Am Flussufer zu sitzen und einfach nur die Stadt und das Wasser beobachten“, erzählt er, „oder auf der Szabadság-Brücke innezuhalten, um auf die Donau und den Gellért Berg zu schauen, ist sehr entspannend.“