Der Mensch ist unverzichtbar

Der General Manager von 4PX spricht über Robotik, Automatisierung und teilt seine Vision für die Zukunft der Logistik. 4PX (Tschechiche Republik) ist die globale Plattform für EcommerceKomplettlösungen.

Interview mit Radoslav Palla.

 

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der Logistikindustrie? Können Menschen von Robotern ersetzt werden? Und wenn ja, in welchem Ausmaß?

Ich denke, dass die Logistik als Geschäftsbereich in den kommenden Jahren immer wichtiger wird für die gesamte Lieferkette, da die Kunden immer schnellere Lieferungen erwarten. In zunehmendem Maße drehen sich zukünftige Geschäftsstrategien in der E-Commerce-Welt um die Fähigkeit, überall rund um den Globus in drei bis vier Tagen liefern zu können. Dies bedeutet für die Mitarbeiter und Unternehmen, die diese Prozesse ermöglichen, in den kommenden Jahren einen enormen Druck in puncto betriebliche Effizienz. Natürlich werden Robotik und Automation hinsichtlich der Effizienzsteigerung eine wichtige Rolle spielen, aber ich denke nicht, dass Maschinen zu hundert Prozent – und auch nicht annähernd – die Arbeit in diesem Bereich übernehmen werden. Es ist wahr, dass viele Prozesse in der Lieferkette „robotisiert“ werden können, aber Aufgaben rund um Strategie, Effizienz und Management, die nicht so einfach vorausgeplant werden können, werden weiterhin ein menschliches Auge und Gehirn benötigen. So gibt es zum Beispiel in Europa bereits automatisierte Lagerhallen, in denen Menschen nur noch einen begrenzten Einfluss haben; aber überall dort, wo es um Veränderung, Wandel und Fortschritt geht, sind die Menschen unverzichtbar. Querdenken wird immer wichtig sein.

Welche Vorteile bringen Technologien wie Augmented Reality oder Video Mapping der Logistik? 

Technologien wie diese sind eine großartige Idee und haben das Potential, für nahezu jeden Geschäftsbereich eine spannende Ergänzung zu sein. Im Moment besteht der Wert dieser Technologien jedoch vor allem in den Bereichen Training, Szenarioplanung und Problemlösung. Wie sie sich tatsächlich in die täglichen Arbeitsabläufe integrieren lassen, muss man abwarten. Aktuell sind wir noch nicht an dem Punkt, wo wir sie in unseren normalen 8-Stunden-Arbeitstag integrieren können, aber es wird spannend, zu sehen, ob und wie dies Unternehmen zukünftig gelingt.

Es ist wahr, dass viele Prozesse in der Lieferkette „robotisiert“ werden können, aber Aufgaben
rund um Strategie, Effizienz und Management, die nicht so einfach vorausgeplant werden
können, werden weiterhin ein menschliches Auge und Gehirn benötigen.

Heute gibt es eine breite Palette moderner Technologien – Machen Sie oder Ihre Tochterunternehmen davon Gebrauch?

Grundsätzlich ist es gar nicht so einfach „moderne Technologien“ zu definieren, da sich diese permanent verändern und weiterentwickeln. Dennoch sind mir kürzlich Technologien begegnet, die unsere Art zu arbeiten verändern.
Zunächst wäre da Pick2Light zu nennen: Hier blinkt ein Licht auf dem Regal, welches den Lageristen ermöglicht, das richtige Regal ohne Zeitverlust zu finden. Noch innovativer sind unsere Tochterunternehmen in China, die mit dem entsprechenden System, das Regal via Roboter direkt zum Lageristen bringen. Das System ist so effizient, dass die Lageristen nicht mal mehr aufstehen müssen. Zudem entwickeln wir zurzeit einen Sortierungsprozess, der nach einem ähnlichen Prinzip wie Pick2Light funktioniert. In unserem Geschäft gibt es viele kleine Pakete, die weltweit ausgeliefert werden sollen – gelingt uns die Umsetzung der neuen Technologie, wird eine automatisierte Sortierung dieser Pakete anhand von Barcodes möglich. Dies würde bedeuten, dass die Pakete ohne menschliches Zutun der jeweiligen Fracht beim Versand korrekt zugeordnet werden können. Aktuell nutzen wir diese Technologie bereits mancherorts in Asien und Australien; aber wir hoffen, dass sich daraus zeitnah eine globale Initiative entwickelt.

Der größte Treiber ist die Nachfrage des Marktes und der Kunden.

VGP Park Jeneč

VGP Park Jeneč

In welchen Bereichen der Logistik können Drohnen zum Einsatz kommen? Nutzen Sie diese in Lagerhallen? 

Momentan nutzen wir keine Drohnen, aber die Möglichkeiten für unsere Industrie sind natürlich höchst interessant, um es zurückhaltend zu formulieren. Noch sind Drohnen zu klein, um mehr als ein Paket oder mehrere kleine zu transportieren. In Lagerhallen, wo die Lasten deutlich größer sind, würde es folglich noch nicht funktionieren. Natürlich sehen wir, dass Unternehmen überall auf der Welt Drohnen im Bereich Lieferung testen – und das ist natürlich eine tolle Idee. Dennoch müssen noch viele Tests durchgeführt würden, bevor wir sie regulär einsetzen können. Als Beispiel: Wir können mit einer Drohne zu Ihrem Haus liefern, aber kommen wir auch bis zu Ihrem Apartment dort? Bis jetzt noch nicht. Die grundsätzliche Idee ist großartig, aber damit Drohnen wirklich zum Einsatz kommen können, müssen für Lieferungen die Genauigkeit und für die Arbeit in Lagerhallen die Belastbarkeit verbessert werden. Wenn die Hersteller dies schaffen, könnte das sehr spannend werden für die Logistik-Industrie.

Wer sind in Ihrem Unternehmen die größten Treiber, wenn es um Wandel und Weiterentwicklung geht? 

Das ist einfach: Der größte Treiber ist die Nachfrage des Marktes und der Kunden. Letztlich will jeder eine immer günstigere, schnellere und genauere Lieferung und muss folglich darauf reagieren, indem die Prozesse laufend optimiert werden, um dieses Ziel zu erreichen. Manchmal gibt es nur schrittweise Veränderungen, manchmal eine regelrechte Generalüberholung; aber am Ende geht es immer um die Bedürfnisse des Marktes und der Kunden. 

Welche digitale Innovation hatte auf Ihr Unternehmen bzw. Ihre Industrie den größten Einfluss? Z.B. Intelligente Netzwerke/ Smart Grids, Cloud Computing, Big Data, agile IT-Prozesse, Automatiserungsprozesse etc. 

Die eine digitale Innovation, die für uns am wichtigsten war, war sicher die Warehouse Management Software. Diese ermöglicht agile IT-Prozesse und den Kommunikationsfl uss zwischen uns und unseren Kunden sowie innerhalb unserer Geschäftsbereiche. Zudem wird die Effi zienz und Genauigkeit verbessert, die Bearbeitung von Aufträgen erleichtert und die Prozessgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Kundenbedürfnisse erhöht. Für einen wettbewerbsfähigen Logistik- bzw. Geschäftsbetrieb und überhaupt für herausragende Ergebnisse brauchen Sie die modernsten IT-Systeme, um Ihr Unternehmen zu unterstützen. Die Systeme müssen besser sein als alle physischen Gerätschaften, die wir haben. 

Blicken wir voraus auf das Jahr 2020: Was sind die größten Chancen bzw. Risiken und Gefahren für Ihre Industrie?

Die größte Chance bietet zurzeit die aktuelle Wirtschaftslage. Die Wirtschaft brummt überall und das bedeutet großartige Möglichkeiten für die Dienstleister der gesamten Branche. Viele Manager, mit denen ich zuletzt gesprochen habe, teilen meine Einschätzung, dass wir uns – ökonomisch ausgedrückt – kurz vor dem Scheitelpunkt der Welle befinden. Viele Geschäfte werden im kommenden Jahr und womöglich auch noch darüber hinaus sehr gut laufen. Die größte Gefahr hierfür ist jedoch die Verfügbarkeit von entsprechend qualifizierten Arbeitskräften – vor allem in Mittelosteuropa. Ob Lageristen, Fahrer, administrative Jobs, IT etc. – überall droht eine Unterbesetzung. Die große Frage ist, wie die Entwicklung bis 2020 vonstattengeht und wie dies die Branche belastet. Wenn jede dieser Neubesetzungen teuer wird, treibt das die Betriebskosten nach oben. Lösen wir diesen Punkt nicht effizient oder übernimmt niemand die Kosten, bekommt die ganze Branche ein großes Problem. So weit sind wir zwar noch nicht, aber wenn die Kosten außer Kontrolle geraten, wird die Welle auf der wir uns befinden, in sich zusammenfallen. Es ist mein Job, alles zu versuchen, dass das nicht passiert. 

 

VGP Park Jeneč

VGP Park Jeneč, building for 4PX under construction

Die größte Chance bietet zurzeit die aktuelle Wirtschaftslage.
Die Wirtschaft brummt überall und das bedeutet
großartige Möglichkeiten für die Dienstleister der gesamten Branche.

Wie „digitalisieren“ Sie Ihre Angestellten? Wie involvieren Sie Ihre Mitarbeiter beim Thema Transformation – in Bezug auf das Unternehmen, die Wirtschaft und die Gesellschaft im Ganzen? 

Das ist eine tolle Frage, mit der ich mich praktisch und philosophisch schon seit mindestens fünf Jahren beschäftige. Wir als Menschen versuchen, zu digitalisieren und überall Roboter einzusetzen; und bis jetzt wächst die Weltbevölkerung immer weiter. Die Frage ist: Werden wir in zehn Jahren den ganzen Tag faul herumliegen oder werden sich an den Arbeitsplätzen immer noch Menschen finden lassen – möglicherweise in ganz anderer Art und Weise, als wir es uns bislang vorstellen können? Dies lässt sich heute natürlich nur schwerlich beantworten. Ich würde es bevorzugen, wenn Menschen weiterhin involviert sind und zwar lieber in der Art, dass Menschen von Robotern unterstützt werden, nicht nur die Roboter von den Menschen. Aber man darf nicht vergessen, dass der Profit für alle internationalen Unternehmen wichtig ist, weshalb es Wandel und auch Automatisierung geben wird. Aber wie bereits gesagt, gehe ich davon aus, dass der Mensch immer eine wichtige Rolle spielen wird; obwohl ich schon eine Kristallkugel brauchen würde, um zu wissen, wie genau die Arbeitswelt in Zukunft aussehen wird. 

Wie sieht es mit der Sicherheit und dem Datenschutz aus? In Europa ist der Datenschutz strikter als in Asien oder den USA. Wie sehen Sie das: Brauchen wir diese Regulierung, um Unternehmen und Kunden zu schützen, oder wird die Regulierung zu einem Wettbewerbsnachteil für den Standort Europa führen? 

Datensicherheit ist für unser Geschäft extrem wichtig. Ob ich glaube, dass es einem Wettbewerbsnachteil gleichkommt, wenn wir besondere Anstrengungen hinsichtlich der Sorgfaltspflicht unternehmen und mehr Geld ausgeben müssen, als dies in anderen Teilen der Welt der Fall ist? Ja, das tue ich. Aber möchte ich die europäische Datengesetzgebung nachsichtiger machen? Absolut nicht. Die Vorschriften sind da, um das Geschäft sicherer zu machen; und das sichere Geschäft hat seinen eigenen Wert, ob dies in anderen Teilen der Welt verstanden wird oder nicht.